Dienstag, 12. Oktober 2010

Sie sind alle weg

Montag, Morgen, 03.Oktober

Ach du Scheiße, ich muß verschlafen haben.
6 Uhr zeigt meine Handyuhr. Ich schieße im Bett nach oben. Der verdammte Radiowecker hat seinen Geist aufgegeben und das Display schaut mich dunkel schwarz an. Na toll, so fängt der Tag ja gut an, aber da ich es jetzt ja eh nicht mehr pünktlich zur Arbeit schaffe brauche ich auch nicht zu hetzten.
Langsam krieche ich aus dem Bett und schleppe mich ins Bad.
Wie ich so vor dem Klo stehe und erst mal den Bierdruck der letzten Nacht ablasse fällt mir auf, dass heute irgendwas anders ist wie sonst. Alles ist so still. Durch das Fenster im Bad kommt kein Laut von der Straße. Ok ok, na ja, so fängst an. Jetzt erst mal in die Küche einen Kaffe und eine Kippe dann wird der Tag schon noch zu retten sein. Prabbel ich so vor mich hin und bin auf dem Weg in die Küche.
Von meinem Mitbewohner keine Spur. Nur die Katze schreit mich hungrig an.
Katzenfutter aus dem Kühlschrank. Bäh der reicht aber muffig, und das Licht scheint auch hinüber zu sein. Das sollte ich heute abend nicht vergessen meinem Mitbewohner erzählen, soll doch der sich darum kümmern.
Kaffee wird es heute keinen geben. Das rote Licht an der Maschiene verweigert seinen Dienst. Komisch ! Na vielleicht haben wir einen Stromausfall. Das würde den Wecker und den Kühlschrank erklären. Der Kontrollgriff zum Radio und zum Lichtschalter bestätigt meine Vermutung. Wir haben keinen Strom.
Super. Also dann heute nur Katzenwäsche. Der Gasboiler springt ja auch nur an wenn es Strom hat. Grumel, also auch noch kaltes Wasser. Aber warum kommt nur so ein kleines Rinnsal aus dem Hahn? Heute morgen ist wirklich alle komisch.
Schnell die Zähne geputzt mit dem eiskalten Wasser eine Katzenwäsche übers Gesicht. Jetzt ab in die Klamotten und los bin eh schon viel zu spät dran.

Es ist ein kalter Herbstmorgen. Dicht hängt der Nebel noch in der Straße und die Luft ist sehr feucht als ich das Haus verlasse. Ein tiefer Atemzug, ich liebe es diesen feuchten, frischen Nebel einzuatmen. Es fühlt sich an wie Samt auf der Haut. Wenn’s nur nicht so kalt wäre. Denke ich und schlage den Kragen meiner Jack nach oben und zieh mir die Mütze in Gesicht.
Erst in der U Bahnstation fällt es mir auf. Ich bin ganz alleine. Keine Menschenseele weit und breit. Nur ich stehe an den Gleisen. Auch die Anzeigentafel ist schwarz. So schwarz wie das Display meines Radioweckers.
Also auch hier keinen Strom. Na das erklärt warum ich hier alleine rumstehe. Puh. Das beklemmende Gefühl das ich für einen kurzen Moment im Magen hatte löst sich schlagartig auf. Beim Rückweg in die Wohnung fällt mir auf dass außer mir keiner auf der Straße ist. Den ganzen Rückweg begegnet mir keiner. Warum auch? Was sollen sie denn auch zur U -Bahn laufen wenn die wegen Stromausfall stillsteht.
So doof kann auch nur ich sein. Jetzt ist der Groschen gefallen. Wahrscheinlich wurde schon gestern ein größerer Stromausfall angekündigt und da ich weder Nachrichten höre noch Zeitung lesen ist das an mir vorübergegangen. Vor lauter Ärger über mich selbst laufe ich immer schneller, mir wird warm und ich fange an zu schwitzen. Wäre ich ein bisschen mehr am gesellschaftlichen und politischem Geschehen interessiert müsste ich jetzt nicht mit dem Rad in die Innenstadt fahren und hätte mir das ganze Durcheinander sparen können.
Den Burgberg schieße ich in einem Affenzahn nach unten. Vielleicht schaffe ich es so noch einigermaßen in der Zeit zu bleiben. Durchgeschwitzt und total außer Atmen komme ich am Haupteingang meiner Arbeitsstelle an. Hastig kette ich mein Rad an den Radständer und mach eine Kehrtwendung zum Eingang. Die beiden großen Glastüren zur Pforte stehen weit offen. Wie ein riesiges Zyklopenauge starrt mich der dunkle Eingang an. Zögernd mache ich vier fünf Schritte auf den Pfortenthresen zu. Keine Menschenseele. Der Haupteingang ist ohne Pförtner und ohne Bewohner. Nur ein paar braungelbe Herbstblätter hat der Wind hereingeweht und treibt sie durch den Empfang. Der Schweiß vom Radfahren wird auf einen Schlag eiskalt. Noch keiner ist mir heute Morgen begegnet, kein Fußgänger, kein Radler, kein Auto und auch keiner am Empfang.

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