Sicherungskopie 5
Heute war Schanghai.com den ganzen Tag nicht zu erreichen, wegen "Wartungsarbeiten". Und mein Blog auf http://hadie.in.schanghai.com/blog war auch nur - 404 - weg! Im zur Site gehörenden Forum geht es oftmals rustikal zu und die chinesische Zensur bedient sich gerne mal des Lichtschalter-Prinzips: an, aus, an, aus. Deshalb hier eine Kopie meiner bisherigen Blogeinträge:
15-sep-08
Mondfest: Gestern war Mondfest, eine uralte Festivität um den meist betrachteten Himmelskörper - die Sonne kann man ja schlecht anschauen. Seit alter Zeit repräsentiert der Mond das weibliche Prinzip, auch Yin genannt. Und die holde Weiblichkeit zelebrierte die Rituale in der Vollmondnacht. Auf den Hausaltaren wurden Weihrauch, Kerzen, Früchte, Blumen und Mondkuchen dargebracht. Dies alles in Verehrung der Mondgöttin Chang E und des weiblichen Yin, im Gegensatz zum männlichen Yang der Sonne. Chang E hat natürlich ihr eigenes Märchen: Einst war sie ein pralles Engelchen im jadenen Palast des himmlischen Herrschers, bediente eher lustlos die Unsterblichen und Himmelsfeen. Dann zerschlug sie ungeschickt einen wertvollen Porzellankrug. Der Herrscher des Jadereiches erschrak, wurde zornig und verurteilte sie zum Leben auf der Erde. Zum Himmel zurückkehren dürfte sie erst, wenn sie auf Erden etwas nützliches geleistet hätte. Mit einem Schlag war sie in eine arme Familie versetzt und freundete sich mit einem Jägersmann namens Hou Yi an. Eines Morgens gingen gleich 10 Sonnen über der Erde auf und setzten alles in Flammen. Hou Yi schoss neun Sonnen ab, wurde König und heiratete Chang E. Als König war er ein ziemlich übeler Tyrann. Er wollte unsterblich werden und ließ sich eine Unsterblichkeits-Pille anfertigen. Doch Chang E erlöste das Volk und schluckte die Pille selbst. Der erzürnte König verfolgte sie. Die Königin sprang aus dem Fenster, doch statt zu fallen, flog sie hinauf zum Mond - sie hatte etwas sehr nützliches getan. König Hou Yi stieg hinauf zur Sonne und baute sich dort einen Palast als Herberge des männlichen Prinzips Yang. Doch Herrschaft ist endlich und die Mondkuchen sagen den Revolutionären, wann es los geht. Zur Zeit der Yuan Dynastie (von 1280 bis 1368) herrschten die Mongolen in China. Rebellenführer Liu Fu Tong plante einen Aufstand und ließ dessen Datum auf Zettel schreiben und in die Mondkuchen einbacken: am Fünfzehnten des achten Mond-Monats ist die fröhliche Nacht der langen Messer...
13-sep-08
Schleppi putt: Vor zwei Wochen hatte sich mein Laptop plötzlich verabschiedet. Das Display blieb dunkel, auch die Lämpchen der Status-Anzeigen. Auf Empfehlung einer Lehrerin brachte ich das Gerät nach Lanling, in Changzhous Computermeile. Ein relativ großer Laden erklärte sich bereit, die Reparatur zu wagen. Ich bekam eine Visitenkarte überreicht und ein Angestellter verschwand mit dem Laptop im Gewirr der Ladenstraße. Da war mir doch ein wenig unwohl. Nach einer Woche dann der Anruf, das komplette Mainboard müsse ausgetauscht werden, Kosten 260,- RMB. Ich stimmte zu und ein paar Tage später konnte ich das Gerät wieder abholen. Alles funktioniert wie vorher, Kaspersky ist noch misstrauisch und die Windows Sicherheitsverwaltung fremdelt manchmal. Aber sonst bin ich rundum zufrieden. Verursacher war wahrscheinlich eine japanische Computermaus mit etlichen roten, blauen und weissen LEDs, die die ohnehin schwächliche Stromverteilung auf dem Mainboard schwer überlastet hatte...
26-aug-08
Das Staatsoberhaupt als Luder: Mitten im Sommerloch behauptet der Jurist Ettore Ghibellino, dass zahllose Briefe Johann Wolfgang von Goethes nur zum Schein an Frau von Stein gerichtet gewesen seien. Eigentliche Adressatin sei Großherzogin Anna Amalia gewesen. Die Landesherrin hätte sich heimlich mit Goethe im Bett gewälzt und die Beweise verschwinden bzw. fälschen lassen. "Alles Quatsch!" sagen ernst zu nehmende Germanisten. Doch die Journaille steigt massiv ein: Zeit, Rheinische Post und MDR berichten ausführlich über das angebliche "Feuchtgebiet in Weimar". Auch die englischsprachige Presse schreibt, "that the Dutchess has had a forbidden love." Die 'Stiftung Weimarer Klassik' hat zwar eine vernichtende Stellungnahme dazu abgegeben, aber langsam wird auch die seriöse Literaturwissenschaft schwach. Der Bielefelder Germanist Jörg Drews meinte im MDR: "Jedes einzelne Argument allein überzeugt mich noch nicht. Aber die Summe der Argumente beginnt langsam, ziemlich groß zu werden." Und bald wird die Boulevardpresse nur noch eines wollen: "Anna Amalia poppen!"
22-aug-08
Im Delikat-Laden gibts 'Rondo': Im Keller des WenHuaGong-Kaufhauses befindet sich eine Abteilung mit Import-Lebensmitteln. Dort gibt es einen vietnamesischen Instant-Kaffee, der genau wie die DDR-Sorte 'Rondo' zu ihren besten Zeiten schmeckt. Auf der sehenswerten Marken-Webseite beginnt die Firmengeschichte zwar erst 1996, aber es war der RGW, der Vietnam zum Kaffee-Anbauland machte. Und an Sortenauswahl und Technologie hatten DDR-Wissenschaftler einen nicht geringen Anteil. Deshalb ist TrungNguyen-Kaffee auch ganz nach dem Geschmack des Kaffeesachsen.
19-aug-08
Beschleunigt in Japan: Am Sonnabend Fahrt mit dem preiswerten Nachtbus von Osaka nach Tokio. In Shinjuku bin ich stilsicher eine Querstraße neben dem Plattenlabel "Gothic Lolita" abgestiegen. Die Klobrille im Hotel ist wirklich beheizbar und die eingebaute Gesäßdusche wohltemperiert. Die Ginza erinnert irgendwie an China - teure Importwaren und Angeber-Klamotten. Aber die Japaner sind höflich, verbeugen sich sogar vor Automaten, wenn sie gut bedient wurden. Akihabara war dann wieder Belohnung. Im SEGA-Hauptquartier durfte ich einem neuen Meister zusehen, wie dieser in Rekordzeit einen alten Horizontal-Shooter meisterte. Getränkeautomaten überall, auch Automaten, die Maid-Kostüme verkaufen. Die Automaten mit den getragenen Mädchenschlüpfern habe ich nicht gesehen, allerdings auch nicht extra gesucht. Und immer wieder muss das Kind im Manne mit dem Manne ringen: Willst Du das alles schleppen? Das ist viel zu teuer und außerdem ist das Ferkelkram! Aber das ist so süß! Nichts gibts! Aber das ist so kwai! Shops mit nie gesehenen Konsolen und Cartridges. Hier ist es, wo der Pilger sein höheres Wesen lobt. Im Regal stehen auf einem Ehrenplatz die beiden Teile von "Knights of Xentar", auch in ihrem Heimatland unerreichte Solitäre der Videospiel-Geschichte. Die alten PC-Engine-Cartridges müssten doch irgendwie zum Laufen zu bringen sein? Nichts gibts! Quietsch! Und beim Pachinko kann man kistenweise Stahlkugeln gewinnen. Ja, wenn ich eine Kugellager-Fabrik hätte... Am Dienstag dann mit dem superteuren "Super-Shinkansen Nozomi" nach Kyoto. In der alten Kaiserstadt wurde das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und Kyoto ist auch wirklich die Hauptstadt des Müsli-Gedankens. Überall fahren schon die kleinen, weißen, kastenförmigen Autos mit den surrenden Hybridantrieben. Suggerieren den Gedanken, Transport sei eine klinisch reine Angelegenheit, notwendig wie eine Blinddarm-Operation und mittlerweile genau so problemlos. Die Klimaanlagen der Fahrzeuge sind längst die größten Spritfresser. Unter der Straßenbahn nach Arashiyama rotiert ein großes Schwungrad, nimmt beim Bremsen Energie auf und gibt sie beim Anfahren wieder ab. Wer im Lokal nicht aufisst, muss eine Entsorgungsgebühr zahlen. Im Garten des alten Kaiserpalasts steht ein Totoro-Haus und die dicken Totoros mahnen alle Getränkeautomaten-Benutzer, ja nichts ins Gelände zu werfen. Wer Müll auf die Straße oder gar in des Kaisers Garten werfen würde, müsste wahrscheinlich auf der Stelle Harakiri begehen - wenn das nicht zusätzlichen Entsorgungsaufwand verursachen würde. Dabei sind die Müllbehälter eher sparsam angeordnet und gut getarnt. Wieder Tempel, Schreine und Museen mit alten Schwertern und Kimonos. Das Nationalmuseum von Kyoto zeigt auch grafische Kunst, Schlachtenmalerei, Landschaften und die Übergänge zum Manga, den "unverantwortlichen Bildern". Und auch in Kyoto finde ich zielsicher die Filiale von Melon-Books, erneut muss ein dickes Melonen-Buch mit. Wieder in Osaka verfahre ich mich mit der Ringbahn, sehe die Verschläge der Obdachlosen am Bahnhof Shin-Imamiya, wenige 100 m weiter nördlich dann Ebisucho, das Elektronik-Viertel, wo in einer Woche ein Wettkampf von Roboter-Ringern stattfinden soll. Dafür wird schon in Videos geworben. Die elektronischen Recken haben mittlerweile alle eingebaute Gleichgewichtsorgane, stehen rasch wieder auf und täuschen auch Bewegungen an, um dann ganz andere auszuführen. Noch einmal Sake trinken und japanisch baden, dann geht es zurück aufs Schiff in Richtung Shanghai. Nachholender Tourismus abgehakt: nun war ich also in Japan, genau wie William Gibson und Adam Warren! Jedenfalls habe ich es genossen, wieder einmal in einem Land gewesen zu sein, in dem die Mädels mit fraulich eleganten Schritten daher kommen, man Bahnreisende zuerst aussteigen lässt, Fußgänger- Überwege beachtet werden und das Internet angeforderte Seiten rasch und zuverlässig aufbaut. Auf der Fähre dann im chinesischen Fernsehen Olympia und ein Nationalismus, der neuerdings erst mit dem Genossen Deng beginnt. Der sagt dort in Schwarz-Weiß: "Niemandem wird es schlechter gehen!" Na danke, da schaue ich lieber wieder ins Wasser. (Fotos auf http://picasaweb.google.de/djdarmtm/japan)
19-aug-08
Entschleunigt nach Japan: Nach Japan wollte ich schon immer, spätestens seit 1990, als es die "Animania" auch am Bahnhof von Bad Harzburg gab und Japanpop-CDs von CD-Japan und Yesasia. Es ist also immer noch nachholender Tourismus: Honecker und Höpke haben mich nicht fahren lassen, dann war keine Zeit, aber nun geht es los. Mit der Fähre "SuZhouHao" schippere ich in drei Tagen von Shanghai nach Osaka. Man kann dösen, Mahjong oder Tischtennis spielen, chinesisches Fernsehen gucken oder einfach ins Wasser schauen. Und das hat es in sich, erkennbar an der unterschiedlichen Färbung: ölig braun bis giftgrün im Huangpu, dazu schwimmt knüppeldicker Unrat herum. Industrie- und Kommunalabwässer werden in Ostchina anscheinend immer noch kaum geklärt in die Flüsse geleitet. Sattes Braunerde-braun an der Küste, da scheint der Mutterboden des halben Landes unterwegs zu sein. Die Fischer vor der Mündung das Huangpu sind wahrscheinlich Schauspieler des Umwelt-Propaganda-Ministeriums. Schwer vorstellbar, dass man dort etwas Genießbares fangen kann. Algenteppiche weiter draußen auf hoher See, wo die Giftkonzentration anscheinend nicht mehr so stark ist. Am zweiten Tag wird das Braun immer heller, um schließlich in ein intensiv strahlendes Marinblau überzugehen, total beeindruckend! In der Nähe der größeren japanischen Inseln dann matteres Blau und Brauntöne. In der Bucht von Osaka schwimmt wieder Unrat im durchsichtigen graubraunen Wasser. Die guten japanischen Kläranlagen bekommen wohl die Schwebstoffe und auch einen Großteil der Schmutzlast heraus, es bleibt aber gebrauchtes, verbrauchtes Wasser. Die Hafenankunft naht, ein Steward mit einer Liste befragt alle Passagiere nach ihren Reisezielen in Japan. Gleich zwei Deklarationen muss ich schreiben und ja oder nein ankreuzen. Nein, ich führe keine Waffen, Sprengstoffe oder Massenvernichtungsmittel mit. Auch keine Drogen und radioaktiven Materialien, tut mir leid. Vielleicht reist ja wieder mal ein perverser Giftgas-Guru ein und der muss dann den schlauen japanischen Polizisten genau aufschreiben, was er so alles vorhat. Und Fieber wird gemessen, alle müssen sich in einer Reihe aufstellen und eine kleine Japanerin mit Mundschutz und Arztkittel richtet eine Art futuristische Strahlenwaffe gegen die Stirn jedes Einreisewilligen, diktiert ihrem uniformierten Assistenten jeweils eine Zahl, die dieser zackig wiederholt. Schließlich dürfen wir doch an Land. Der Shuttelebus zur U-Bahn ist zwar bequem, fährt aber an der einzigen Bankfiliale der Hafeninsel vorbei und ohne Kleingeld geht in Japan gar nichts. Einchecken im Hotel, dann beginnt auch gleich der Marathon: von einem Tempel zum nächsten Schrein. Von einem Museum mit alten Schwertern zu einem mit alten Kimonos. Dazu Landschaftsparks und Shopping. Wenn man das Komma beim Yen um zwei Stellen nach links verschiebt, ist er mit der Westmark nach der "Wende" vergleichbar. Alles hat seinen Preis, aber man bekommt etwas fürs Geld. Man bekommt so ziemlich alles, ein riesiges Überangebot an allem und jedem. CDs und Gedrucktes kann man ohne weiteres kaufen, bei Elektrogeräten ist die Netzspannung in Japan 100 Volt. Die Fernsehnorm ist noch NTSC. Hochauflösende Fernseher stehen zwar schon überall in den Läden, aber welche Sendenorm sich durchsetzten wird, ist auch im Land der aufgehenden Sonne noch nicht entschieden. Bei den Konserven haben Sonys Blueray-Disks die DVDs schon weitgehend abgelöst. Der alte Miyazaki hat seinen Sohn zum Hausmeister im Ghibli-Museum degradiert und produziert die Filme wieder selbst. Ein erstes Ergebnis ist "Ponyo on the Cliff by the Sea", das gerade in Japan in die Kinos kommt und auf Wochen hinaus ausverkauft ist. Ponyo klingt ein wenig wie Totoro und um Umweltschutz geht es auch. Vielleicht kann der alte Meister damit ja an frühere Erfolge anknüpfen?
18-aug-08
Dt64 auf Chinesisch: Das staatliche Auslandsradio CRI hat anscheinend sein UKW-Programm für Ausländer in China umbenannt. Statt "Easy FM" heißt es jetzt "Hit FM". Englischsprachige "Subberhits" wurden dort bisher schon gedudelt, zu Olympia gibt es jetzt die richtig enge Rotation auf die Ohren. Dagegegen protestieren auch schon Fans des ursprünglichen Formats: "No hit fm! We need easy fm! Easy fm rulez! Hit fm is hate fm!" Dabei existiert "Easy FM" als Webcast weiter und wohl auch auf einigen Frequenzen on air? Möglicherweise soll nach Olympia die Rotation gelockert werden und es soll auch wieder gestaltete Beiträge geben. Mir war das Programm vorher lieber, aber als Ausländer hat man eh keine Wahl, die anderen chinesischen Radios sind völlig sinnfrei. Nun also erst einmal "Hit FM", im Raum Shanghai auf UKW 87,9 MHz.
04-aug-08
Zensur bildet: Die knüppelharte Olympia-Zensur-Kampagne des Westens zeigt Wirkung. Meine Internet-Wächter schicken unliebsame Seitenaufrufe seit einigen Tagen nicht mehr ins Nichts, sondern auf eine nette Link- und Suchseite. Dort sind u.a. jede Menge urheberrechtlich bedenkliche chinesische Seiten aufgelistet. Einer solchen "Raubseite" verdanke ich meine musikalische Entdeckung dieses Sommers: Camille Miller und ihre neue CD 'Somewhere Near The Thuth'. Die Chinesen klauen oftmals gute Sachen und man erfährt unkompliziert, was es so alles gibt. Thanks Censorship!
30-jul-08
3. Tag (überarbeitet) Am Sonntag Vormittag besichtigen wir NorbuLingka, die Sommerresidenz des Dalai Lama. Mittagessen im Tibetischen Steakhouse mit Yak-Steak und Barley-Bier, einem süßlichen mostartigen Gersten-Gebräu. Der Tempel Ramoche beherberge einst die chinesische Prinzessin Kongjo, er liegt in der nördlichen Innenstadt und ist eher klein und urtümlich. Gegenüber vom Tempel hat es an mehreren Stellen gebrannt und weiter im Norden sollen immer noch ganze Straßenzüge abgesperrt sein. Wir machen einen Stadtbummel im Nordosten, fühlen uns beschattet, werden nicht bedient und sehen immer wieder Brandspuren. Gegenüber einer ausgebrannten Ladenzeile in der östlichen Beijing Road kehren wir in einer Musikkneipe ein, trinken Tee mit Gänseblümchen- Blüten und fotografieren die rußgeschwärzte Fassade gegenüber. Zwei schicke Japanerinnen hatten dieselbe Idee, halten ihre Kameras ständig aufnahmebereit, es könnte ja jederzeit wieder losgehen. Wir diskutieren derweil über Kultur: Leuchtreklamen sind ohnehin Unkultur im ShangRiLa. Ich erinnere mich an einen Filmbericht, in dem deutsche Turbo- Tibetologen arme Nonnen in einer abgelegenen Gegend des Hochlands besuchten. Unter anderem hatten sie ihnen Hochglanz-Zeitschriften mitgebracht. Nach dem Motto: wir bringen Euch Eure Kultur wieder zurück, in Form des Tibet-Sonderhefts eines Zeitgeist-Magazins! In der Zeitschrift war eine doppelseitige Autoreklame. Plötzlich interessierten sich die mageren kleinen Nonnen nur noch für dieses Auto, schwatzten lange angeregt über ein ausgereiftes und geräumiges Fahrzeug der oberen Mittelklasse. Nein, ich lüge nicht, will ja schließlich nicht als Kellerassel wiedergeboren werden!
30-jul-08
Sieben Tage in Tibet: 7. Auf dem Bahnhofsvorplatz von Lhasa marschieren Soldaten mit Gebrüll im Viereck. Am Donnerstag Morgen um 08:30 fährt unser Zug nach Xining. Die Sicherheitskontrollen sind gründlichst, diesmal geraten Mini-Tonkrieger aus Xi'an in den Verdacht, aus Dynamit zu sein. Die Qinghai-Tibet-Bahn wurde erst im Sommer 2006 eröffnet. Alle Bauten sind durchdacht und der Landschaft angepasst, was in China nicht selbstverständlich ist. Mittags erreichen wir den kleinen Bahnhof Tanggula, mit 5068 Metern wohl die höchste Bahnstation der Welt. Die Waggons der Tibet-Bahn haben eine künstliche Sauerstoffzufuhr sowie ultraviolettes Licht filternde Fenster. Und die Toiletten sind entweder verstopft oder abgeschlossen. Manchmal werkeln Eisenbahner mit hölzernen Wäschezangen, Porzellantassen und selbst geschnitzten Stöcken in dem Unrat, können aber kaum etwas bewirken. Auch das erscheint mir typisch chinesisch. Mitten in der Nacht hört plötzlich das Zischen des Sauerstoff-Auslasses auf. Wahrscheinlich schließen sie dort nur eine Gasflasche an und wenn die leer ist, gibt es eben nichts mehr. Am Freitag Morgen frühstücken wir chinesisch in Xining und machen einen Foto-Halt an der Moschee. In Xining gibt es eine zahlreiche moslemische Minderheit, die aber pflegeleicht sein soll. Am Flughafen wird ein Kühlkissen beschlagnahmt, das eine verbotene Substanz enthält. Um 13.30 Uhr geht unser Flug nach Xi’an, dort Umsteigen in ein anderes Flugzeug, um 18.30 Uhr Ankunft in Pudong. Es ist Freitag Abend und alle Züge sind restlos ausverkauft. Der letzte Bus nach Changzhou fährt um 19.20 Uhr und ist wahrscheinlich auch ausverkauft. Wieder verfluche ich den Reiseveranstalter. Jetzt habe ich ich nur noch die Wahl zwischen teuerem oder schmuddeligen Hotel. Doch meine neuen Bekannten sind riesig nett und bitten ihren chinesischen Fahrer, mich mit der Familienkutsche in den Norden zu fahren. Auf dem Rücksitz eines geräumigen Mittelklasse-Wagens fahre ich durch die hell erleuchtete Millionenstadt Changzhou. Das wäre also der Traum der kleinen Nonnen und was wäre meiner?
15-sep-08
Mondfest: Gestern war Mondfest, eine uralte Festivität um den meist betrachteten Himmelskörper - die Sonne kann man ja schlecht anschauen. Seit alter Zeit repräsentiert der Mond das weibliche Prinzip, auch Yin genannt. Und die holde Weiblichkeit zelebrierte die Rituale in der Vollmondnacht. Auf den Hausaltaren wurden Weihrauch, Kerzen, Früchte, Blumen und Mondkuchen dargebracht. Dies alles in Verehrung der Mondgöttin Chang E und des weiblichen Yin, im Gegensatz zum männlichen Yang der Sonne. Chang E hat natürlich ihr eigenes Märchen: Einst war sie ein pralles Engelchen im jadenen Palast des himmlischen Herrschers, bediente eher lustlos die Unsterblichen und Himmelsfeen. Dann zerschlug sie ungeschickt einen wertvollen Porzellankrug. Der Herrscher des Jadereiches erschrak, wurde zornig und verurteilte sie zum Leben auf der Erde. Zum Himmel zurückkehren dürfte sie erst, wenn sie auf Erden etwas nützliches geleistet hätte. Mit einem Schlag war sie in eine arme Familie versetzt und freundete sich mit einem Jägersmann namens Hou Yi an. Eines Morgens gingen gleich 10 Sonnen über der Erde auf und setzten alles in Flammen. Hou Yi schoss neun Sonnen ab, wurde König und heiratete Chang E. Als König war er ein ziemlich übeler Tyrann. Er wollte unsterblich werden und ließ sich eine Unsterblichkeits-Pille anfertigen. Doch Chang E erlöste das Volk und schluckte die Pille selbst. Der erzürnte König verfolgte sie. Die Königin sprang aus dem Fenster, doch statt zu fallen, flog sie hinauf zum Mond - sie hatte etwas sehr nützliches getan. König Hou Yi stieg hinauf zur Sonne und baute sich dort einen Palast als Herberge des männlichen Prinzips Yang. Doch Herrschaft ist endlich und die Mondkuchen sagen den Revolutionären, wann es los geht. Zur Zeit der Yuan Dynastie (von 1280 bis 1368) herrschten die Mongolen in China. Rebellenführer Liu Fu Tong plante einen Aufstand und ließ dessen Datum auf Zettel schreiben und in die Mondkuchen einbacken: am Fünfzehnten des achten Mond-Monats ist die fröhliche Nacht der langen Messer...
13-sep-08
Schleppi putt: Vor zwei Wochen hatte sich mein Laptop plötzlich verabschiedet. Das Display blieb dunkel, auch die Lämpchen der Status-Anzeigen. Auf Empfehlung einer Lehrerin brachte ich das Gerät nach Lanling, in Changzhous Computermeile. Ein relativ großer Laden erklärte sich bereit, die Reparatur zu wagen. Ich bekam eine Visitenkarte überreicht und ein Angestellter verschwand mit dem Laptop im Gewirr der Ladenstraße. Da war mir doch ein wenig unwohl. Nach einer Woche dann der Anruf, das komplette Mainboard müsse ausgetauscht werden, Kosten 260,- RMB. Ich stimmte zu und ein paar Tage später konnte ich das Gerät wieder abholen. Alles funktioniert wie vorher, Kaspersky ist noch misstrauisch und die Windows Sicherheitsverwaltung fremdelt manchmal. Aber sonst bin ich rundum zufrieden. Verursacher war wahrscheinlich eine japanische Computermaus mit etlichen roten, blauen und weissen LEDs, die die ohnehin schwächliche Stromverteilung auf dem Mainboard schwer überlastet hatte...
26-aug-08
Das Staatsoberhaupt als Luder: Mitten im Sommerloch behauptet der Jurist Ettore Ghibellino, dass zahllose Briefe Johann Wolfgang von Goethes nur zum Schein an Frau von Stein gerichtet gewesen seien. Eigentliche Adressatin sei Großherzogin Anna Amalia gewesen. Die Landesherrin hätte sich heimlich mit Goethe im Bett gewälzt und die Beweise verschwinden bzw. fälschen lassen. "Alles Quatsch!" sagen ernst zu nehmende Germanisten. Doch die Journaille steigt massiv ein: Zeit, Rheinische Post und MDR berichten ausführlich über das angebliche "Feuchtgebiet in Weimar". Auch die englischsprachige Presse schreibt, "that the Dutchess has had a forbidden love." Die 'Stiftung Weimarer Klassik' hat zwar eine vernichtende Stellungnahme dazu abgegeben, aber langsam wird auch die seriöse Literaturwissenschaft schwach. Der Bielefelder Germanist Jörg Drews meinte im MDR: "Jedes einzelne Argument allein überzeugt mich noch nicht. Aber die Summe der Argumente beginnt langsam, ziemlich groß zu werden." Und bald wird die Boulevardpresse nur noch eines wollen: "Anna Amalia poppen!"
22-aug-08
Im Delikat-Laden gibts 'Rondo': Im Keller des WenHuaGong-Kaufhauses befindet sich eine Abteilung mit Import-Lebensmitteln. Dort gibt es einen vietnamesischen Instant-Kaffee, der genau wie die DDR-Sorte 'Rondo' zu ihren besten Zeiten schmeckt. Auf der sehenswerten Marken-Webseite beginnt die Firmengeschichte zwar erst 1996, aber es war der RGW, der Vietnam zum Kaffee-Anbauland machte. Und an Sortenauswahl und Technologie hatten DDR-Wissenschaftler einen nicht geringen Anteil. Deshalb ist TrungNguyen-Kaffee auch ganz nach dem Geschmack des Kaffeesachsen.
19-aug-08
Beschleunigt in Japan: Am Sonnabend Fahrt mit dem preiswerten Nachtbus von Osaka nach Tokio. In Shinjuku bin ich stilsicher eine Querstraße neben dem Plattenlabel "Gothic Lolita" abgestiegen. Die Klobrille im Hotel ist wirklich beheizbar und die eingebaute Gesäßdusche wohltemperiert. Die Ginza erinnert irgendwie an China - teure Importwaren und Angeber-Klamotten. Aber die Japaner sind höflich, verbeugen sich sogar vor Automaten, wenn sie gut bedient wurden. Akihabara war dann wieder Belohnung. Im SEGA-Hauptquartier durfte ich einem neuen Meister zusehen, wie dieser in Rekordzeit einen alten Horizontal-Shooter meisterte. Getränkeautomaten überall, auch Automaten, die Maid-Kostüme verkaufen. Die Automaten mit den getragenen Mädchenschlüpfern habe ich nicht gesehen, allerdings auch nicht extra gesucht. Und immer wieder muss das Kind im Manne mit dem Manne ringen: Willst Du das alles schleppen? Das ist viel zu teuer und außerdem ist das Ferkelkram! Aber das ist so süß! Nichts gibts! Aber das ist so kwai! Shops mit nie gesehenen Konsolen und Cartridges. Hier ist es, wo der Pilger sein höheres Wesen lobt. Im Regal stehen auf einem Ehrenplatz die beiden Teile von "Knights of Xentar", auch in ihrem Heimatland unerreichte Solitäre der Videospiel-Geschichte. Die alten PC-Engine-Cartridges müssten doch irgendwie zum Laufen zu bringen sein? Nichts gibts! Quietsch! Und beim Pachinko kann man kistenweise Stahlkugeln gewinnen. Ja, wenn ich eine Kugellager-Fabrik hätte... Am Dienstag dann mit dem superteuren "Super-Shinkansen Nozomi" nach Kyoto. In der alten Kaiserstadt wurde das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und Kyoto ist auch wirklich die Hauptstadt des Müsli-Gedankens. Überall fahren schon die kleinen, weißen, kastenförmigen Autos mit den surrenden Hybridantrieben. Suggerieren den Gedanken, Transport sei eine klinisch reine Angelegenheit, notwendig wie eine Blinddarm-Operation und mittlerweile genau so problemlos. Die Klimaanlagen der Fahrzeuge sind längst die größten Spritfresser. Unter der Straßenbahn nach Arashiyama rotiert ein großes Schwungrad, nimmt beim Bremsen Energie auf und gibt sie beim Anfahren wieder ab. Wer im Lokal nicht aufisst, muss eine Entsorgungsgebühr zahlen. Im Garten des alten Kaiserpalasts steht ein Totoro-Haus und die dicken Totoros mahnen alle Getränkeautomaten-Benutzer, ja nichts ins Gelände zu werfen. Wer Müll auf die Straße oder gar in des Kaisers Garten werfen würde, müsste wahrscheinlich auf der Stelle Harakiri begehen - wenn das nicht zusätzlichen Entsorgungsaufwand verursachen würde. Dabei sind die Müllbehälter eher sparsam angeordnet und gut getarnt. Wieder Tempel, Schreine und Museen mit alten Schwertern und Kimonos. Das Nationalmuseum von Kyoto zeigt auch grafische Kunst, Schlachtenmalerei, Landschaften und die Übergänge zum Manga, den "unverantwortlichen Bildern". Und auch in Kyoto finde ich zielsicher die Filiale von Melon-Books, erneut muss ein dickes Melonen-Buch mit. Wieder in Osaka verfahre ich mich mit der Ringbahn, sehe die Verschläge der Obdachlosen am Bahnhof Shin-Imamiya, wenige 100 m weiter nördlich dann Ebisucho, das Elektronik-Viertel, wo in einer Woche ein Wettkampf von Roboter-Ringern stattfinden soll. Dafür wird schon in Videos geworben. Die elektronischen Recken haben mittlerweile alle eingebaute Gleichgewichtsorgane, stehen rasch wieder auf und täuschen auch Bewegungen an, um dann ganz andere auszuführen. Noch einmal Sake trinken und japanisch baden, dann geht es zurück aufs Schiff in Richtung Shanghai. Nachholender Tourismus abgehakt: nun war ich also in Japan, genau wie William Gibson und Adam Warren! Jedenfalls habe ich es genossen, wieder einmal in einem Land gewesen zu sein, in dem die Mädels mit fraulich eleganten Schritten daher kommen, man Bahnreisende zuerst aussteigen lässt, Fußgänger- Überwege beachtet werden und das Internet angeforderte Seiten rasch und zuverlässig aufbaut. Auf der Fähre dann im chinesischen Fernsehen Olympia und ein Nationalismus, der neuerdings erst mit dem Genossen Deng beginnt. Der sagt dort in Schwarz-Weiß: "Niemandem wird es schlechter gehen!" Na danke, da schaue ich lieber wieder ins Wasser. (Fotos auf http://picasaweb.google.de/djdarmtm/japan)
19-aug-08
Entschleunigt nach Japan: Nach Japan wollte ich schon immer, spätestens seit 1990, als es die "Animania" auch am Bahnhof von Bad Harzburg gab und Japanpop-CDs von CD-Japan und Yesasia. Es ist also immer noch nachholender Tourismus: Honecker und Höpke haben mich nicht fahren lassen, dann war keine Zeit, aber nun geht es los. Mit der Fähre "SuZhouHao" schippere ich in drei Tagen von Shanghai nach Osaka. Man kann dösen, Mahjong oder Tischtennis spielen, chinesisches Fernsehen gucken oder einfach ins Wasser schauen. Und das hat es in sich, erkennbar an der unterschiedlichen Färbung: ölig braun bis giftgrün im Huangpu, dazu schwimmt knüppeldicker Unrat herum. Industrie- und Kommunalabwässer werden in Ostchina anscheinend immer noch kaum geklärt in die Flüsse geleitet. Sattes Braunerde-braun an der Küste, da scheint der Mutterboden des halben Landes unterwegs zu sein. Die Fischer vor der Mündung das Huangpu sind wahrscheinlich Schauspieler des Umwelt-Propaganda-Ministeriums. Schwer vorstellbar, dass man dort etwas Genießbares fangen kann. Algenteppiche weiter draußen auf hoher See, wo die Giftkonzentration anscheinend nicht mehr so stark ist. Am zweiten Tag wird das Braun immer heller, um schließlich in ein intensiv strahlendes Marinblau überzugehen, total beeindruckend! In der Nähe der größeren japanischen Inseln dann matteres Blau und Brauntöne. In der Bucht von Osaka schwimmt wieder Unrat im durchsichtigen graubraunen Wasser. Die guten japanischen Kläranlagen bekommen wohl die Schwebstoffe und auch einen Großteil der Schmutzlast heraus, es bleibt aber gebrauchtes, verbrauchtes Wasser. Die Hafenankunft naht, ein Steward mit einer Liste befragt alle Passagiere nach ihren Reisezielen in Japan. Gleich zwei Deklarationen muss ich schreiben und ja oder nein ankreuzen. Nein, ich führe keine Waffen, Sprengstoffe oder Massenvernichtungsmittel mit. Auch keine Drogen und radioaktiven Materialien, tut mir leid. Vielleicht reist ja wieder mal ein perverser Giftgas-Guru ein und der muss dann den schlauen japanischen Polizisten genau aufschreiben, was er so alles vorhat. Und Fieber wird gemessen, alle müssen sich in einer Reihe aufstellen und eine kleine Japanerin mit Mundschutz und Arztkittel richtet eine Art futuristische Strahlenwaffe gegen die Stirn jedes Einreisewilligen, diktiert ihrem uniformierten Assistenten jeweils eine Zahl, die dieser zackig wiederholt. Schließlich dürfen wir doch an Land. Der Shuttelebus zur U-Bahn ist zwar bequem, fährt aber an der einzigen Bankfiliale der Hafeninsel vorbei und ohne Kleingeld geht in Japan gar nichts. Einchecken im Hotel, dann beginnt auch gleich der Marathon: von einem Tempel zum nächsten Schrein. Von einem Museum mit alten Schwertern zu einem mit alten Kimonos. Dazu Landschaftsparks und Shopping. Wenn man das Komma beim Yen um zwei Stellen nach links verschiebt, ist er mit der Westmark nach der "Wende" vergleichbar. Alles hat seinen Preis, aber man bekommt etwas fürs Geld. Man bekommt so ziemlich alles, ein riesiges Überangebot an allem und jedem. CDs und Gedrucktes kann man ohne weiteres kaufen, bei Elektrogeräten ist die Netzspannung in Japan 100 Volt. Die Fernsehnorm ist noch NTSC. Hochauflösende Fernseher stehen zwar schon überall in den Läden, aber welche Sendenorm sich durchsetzten wird, ist auch im Land der aufgehenden Sonne noch nicht entschieden. Bei den Konserven haben Sonys Blueray-Disks die DVDs schon weitgehend abgelöst. Der alte Miyazaki hat seinen Sohn zum Hausmeister im Ghibli-Museum degradiert und produziert die Filme wieder selbst. Ein erstes Ergebnis ist "Ponyo on the Cliff by the Sea", das gerade in Japan in die Kinos kommt und auf Wochen hinaus ausverkauft ist. Ponyo klingt ein wenig wie Totoro und um Umweltschutz geht es auch. Vielleicht kann der alte Meister damit ja an frühere Erfolge anknüpfen?
18-aug-08
Dt64 auf Chinesisch: Das staatliche Auslandsradio CRI hat anscheinend sein UKW-Programm für Ausländer in China umbenannt. Statt "Easy FM" heißt es jetzt "Hit FM". Englischsprachige "Subberhits" wurden dort bisher schon gedudelt, zu Olympia gibt es jetzt die richtig enge Rotation auf die Ohren. Dagegegen protestieren auch schon Fans des ursprünglichen Formats: "No hit fm! We need easy fm! Easy fm rulez! Hit fm is hate fm!" Dabei existiert "Easy FM" als Webcast weiter und wohl auch auf einigen Frequenzen on air? Möglicherweise soll nach Olympia die Rotation gelockert werden und es soll auch wieder gestaltete Beiträge geben. Mir war das Programm vorher lieber, aber als Ausländer hat man eh keine Wahl, die anderen chinesischen Radios sind völlig sinnfrei. Nun also erst einmal "Hit FM", im Raum Shanghai auf UKW 87,9 MHz.
04-aug-08
Zensur bildet: Die knüppelharte Olympia-Zensur-Kampagne des Westens zeigt Wirkung. Meine Internet-Wächter schicken unliebsame Seitenaufrufe seit einigen Tagen nicht mehr ins Nichts, sondern auf eine nette Link- und Suchseite. Dort sind u.a. jede Menge urheberrechtlich bedenkliche chinesische Seiten aufgelistet. Einer solchen "Raubseite" verdanke ich meine musikalische Entdeckung dieses Sommers: Camille Miller und ihre neue CD 'Somewhere Near The Thuth'. Die Chinesen klauen oftmals gute Sachen und man erfährt unkompliziert, was es so alles gibt. Thanks Censorship!
30-jul-08
3. Tag (überarbeitet) Am Sonntag Vormittag besichtigen wir NorbuLingka, die Sommerresidenz des Dalai Lama. Mittagessen im Tibetischen Steakhouse mit Yak-Steak und Barley-Bier, einem süßlichen mostartigen Gersten-Gebräu. Der Tempel Ramoche beherberge einst die chinesische Prinzessin Kongjo, er liegt in der nördlichen Innenstadt und ist eher klein und urtümlich. Gegenüber vom Tempel hat es an mehreren Stellen gebrannt und weiter im Norden sollen immer noch ganze Straßenzüge abgesperrt sein. Wir machen einen Stadtbummel im Nordosten, fühlen uns beschattet, werden nicht bedient und sehen immer wieder Brandspuren. Gegenüber einer ausgebrannten Ladenzeile in der östlichen Beijing Road kehren wir in einer Musikkneipe ein, trinken Tee mit Gänseblümchen- Blüten und fotografieren die rußgeschwärzte Fassade gegenüber. Zwei schicke Japanerinnen hatten dieselbe Idee, halten ihre Kameras ständig aufnahmebereit, es könnte ja jederzeit wieder losgehen. Wir diskutieren derweil über Kultur: Leuchtreklamen sind ohnehin Unkultur im ShangRiLa. Ich erinnere mich an einen Filmbericht, in dem deutsche Turbo- Tibetologen arme Nonnen in einer abgelegenen Gegend des Hochlands besuchten. Unter anderem hatten sie ihnen Hochglanz-Zeitschriften mitgebracht. Nach dem Motto: wir bringen Euch Eure Kultur wieder zurück, in Form des Tibet-Sonderhefts eines Zeitgeist-Magazins! In der Zeitschrift war eine doppelseitige Autoreklame. Plötzlich interessierten sich die mageren kleinen Nonnen nur noch für dieses Auto, schwatzten lange angeregt über ein ausgereiftes und geräumiges Fahrzeug der oberen Mittelklasse. Nein, ich lüge nicht, will ja schließlich nicht als Kellerassel wiedergeboren werden!
30-jul-08
Sieben Tage in Tibet: 7. Auf dem Bahnhofsvorplatz von Lhasa marschieren Soldaten mit Gebrüll im Viereck. Am Donnerstag Morgen um 08:30 fährt unser Zug nach Xining. Die Sicherheitskontrollen sind gründlichst, diesmal geraten Mini-Tonkrieger aus Xi'an in den Verdacht, aus Dynamit zu sein. Die Qinghai-Tibet-Bahn wurde erst im Sommer 2006 eröffnet. Alle Bauten sind durchdacht und der Landschaft angepasst, was in China nicht selbstverständlich ist. Mittags erreichen wir den kleinen Bahnhof Tanggula, mit 5068 Metern wohl die höchste Bahnstation der Welt. Die Waggons der Tibet-Bahn haben eine künstliche Sauerstoffzufuhr sowie ultraviolettes Licht filternde Fenster. Und die Toiletten sind entweder verstopft oder abgeschlossen. Manchmal werkeln Eisenbahner mit hölzernen Wäschezangen, Porzellantassen und selbst geschnitzten Stöcken in dem Unrat, können aber kaum etwas bewirken. Auch das erscheint mir typisch chinesisch. Mitten in der Nacht hört plötzlich das Zischen des Sauerstoff-Auslasses auf. Wahrscheinlich schließen sie dort nur eine Gasflasche an und wenn die leer ist, gibt es eben nichts mehr. Am Freitag Morgen frühstücken wir chinesisch in Xining und machen einen Foto-Halt an der Moschee. In Xining gibt es eine zahlreiche moslemische Minderheit, die aber pflegeleicht sein soll. Am Flughafen wird ein Kühlkissen beschlagnahmt, das eine verbotene Substanz enthält. Um 13.30 Uhr geht unser Flug nach Xi’an, dort Umsteigen in ein anderes Flugzeug, um 18.30 Uhr Ankunft in Pudong. Es ist Freitag Abend und alle Züge sind restlos ausverkauft. Der letzte Bus nach Changzhou fährt um 19.20 Uhr und ist wahrscheinlich auch ausverkauft. Wieder verfluche ich den Reiseveranstalter. Jetzt habe ich ich nur noch die Wahl zwischen teuerem oder schmuddeligen Hotel. Doch meine neuen Bekannten sind riesig nett und bitten ihren chinesischen Fahrer, mich mit der Familienkutsche in den Norden zu fahren. Auf dem Rücksitz eines geräumigen Mittelklasse-Wagens fahre ich durch die hell erleuchtete Millionenstadt Changzhou. Das wäre also der Traum der kleinen Nonnen und was wäre meiner?
stulli - 25. Sep, 13:35