PET ist reif

Neulich wurde im Lux-Kino „Plastic Planet“ von Werner Boote gezeigt, dem österreichischen Michael-Moore-Ersatz. Im Saal saß alles, was in der örtlichen Müsliszene Rang und Namen hat. Danach Diskussion, erst im großen, dann in kleinen Kreisen: Spätere Archäologen würden von einer Plastikzeit sprechen. Was, wenn es denn geschähe, eine unzulässige Vereinfachung wäre. Denn es sei nicht ein Stoff, sondern eine unüberschaubare Vielfalt von Grundstoffen, Füllstoffen und Weichmachern - außer einigen Grundbestandteilen sämtlich patentiert und/oder geheim. Die EU-Chemikalienverordnung REACH bräuchte jetzt dringend einen Schub und da käme der Film zur richtigen Zeit. Dänemark habe gerade Bisphenol A teilweise verboten und aus diesen PET-Flaschen trinke er (mein Gesprächspartner) seit voriger Woche auch nicht mehr. Wieso denn das denn? Ob ich die Skandalmeldung in der Tagesschau nicht gesehen hätte? Eine Studie der Universität Frankfurt hätte nachgewiesen, dass Plastikflaschen aus Polyethylen-Terephthalat (PET) hormonähnliche Substanzen in Größenordnungen an ihren Inhalt abgeben würden. Die brächten so etwas einmal und wer sich dann nicht selbst informiere, bliebe unwissend. Auch ich trage meist eine kleine Flasche mit Wasser bei mir, Leitungswasser, das ja Trinkwasser-Qualität haben soll. Im Prinzip richtig, nur sollte ich die „Rohrperle“ nicht in PET-Flaschen füllen, bei Strafe von Fettleibigkeit, Impotenz und Kreislaufschwäche. Ach so?

Am nächsten Tag informiere ich mich: die Tagesschaumeldung gibt es, auch den Originalartikel aus der Frankfurter Universität. Das sind tatsächlich ausgewachsene Umweltforscher, die nach Standardmethoden arbeiten, fleißig Embryonen der Neuseeländischen Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum) zählten und statistisch auswerteten. Die Ergebnisse waren eindeutig. Und einige TetraPak-Arten gaben sogar noch mehr Östrogen-artige Substanzen als PET-Flaschen ab. Die Halbwertzeit der Stoffe ist zwar gering, durch die Allgegenwart der PET-Behältnisse wird jedoch immer eine wirksame Konzentration im Körper des "Hormon-Spiegeltrinkers" aufrecht erhalten. Einen Tag später trage ich eine Glasflasche „Natürliches Mineralwasser“ mit mir herum. Mein Gesprächspartner findet es wieder „im Prinzip richtig“, nur mit Plastikverschluss sei auch das natürlichste Wasser in der schönsten Glasflasche immer noch belastet. Er weist seine Drahtbügel-Bierflasche vor, gefüllt mit Leitungswasser.

Pulle

Einen Veranstaltungstipp hat er auch noch: das Bundesinstitut für Risikobewertung führe nächste Woche eine Tagung zu hormonähnlichen Substanzen durch und er hätte sich auch schon angemeldet. Das Thema PET sei „reif“: Heerscharen von Müsli-Ideologen bräuchten ein neues Thema, nachdem es mit dem Klimawandel nun doch nicht schnell genug ginge. Er vermute ja, dass das Thema zuerst in der Zeitung mit den vier Großbuchstaben auftauchen würde. Die Madsäcke und DuMonts bügelten eh alles Kritische ab und die Linkstöner-Postillen reproduzierten immer nur ihr eigenes ermüdendes Filzrascheln. Ich schließe mich seiner Spekulation an und wir wetten um einen Kasten Drahtbügelflaschen, ob die große PET-Flaschen-Panik schon Ende April oder doch erst Mitte Mai ausbricht.

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